Entlang der Schlichem
Im Schlichemtal gab es in früheren Jahren mehrere Siedlungen, auf die heute teilweise nur noch Flurnamen hinweisen. Vom Schlichemwanderweg aus sind einige Plätze solcher Siedlungen einsehbar. Daher gilt diesen unsere besondere Aufmerksamkeit.
Kernhausen, das ehemalige Kloster und die Siedlung, lagen unmittelbar vor Ratshausen oberhalb des rechten Schlichemufers und zogen sich ein Stück bergwärts Richtung Plettenberg hin. Das Frauenkloster selbst war eine Stiftung der Herren von Lupfen.
Die Klosterfrauen verließen jedoch 1262 Kernhausen und gründeten in Offenhausen ein Kloster, nachdem ihnen dort ebenfalls Güter samt der Kirche vermacht worden waren.
Das neue Kloster Offenhausen ließ ab dem Jahr 1300 Kernhausen eingehen. Übrig blieb die Kirche, das Mesner- und Kaplaneihaus sowie der Klosterhof. Die Kirche selbst war Pfarrkirche für die Gemeinde Ratshausen bis 1817 und wurde danach wegen Baufälligkeit abgebrochen.
Ein Steinkreuz am Wanderweg zum Plettenberg erinnert an den Standort der Kirche.
Weitere Erinnerungen an die Siedlung sind der Flurname Kernhausen, die Flurstücke Alter Hof und Pfarracker. Auf ihm wurde später beim Pflügen eine Art Wettermonstranz gefunden.
Das „Ratshausener Wetterglöckle“, gegossen um 1400, stammt ebenfalls von der Kernhausener Kirche.
Ein weiteres Dorf direkt an der Schlichem war Holzheim, damals wohl beidseitig der Schlichem gelegen. Die erste urkundliche Erwähnung von Holzheim geschah im Jahr 785. 1269 erwarb das Kloster Kirchberg, eine Gründung der Grafen von Hohenberg, dort einen Hof und die dazu gehörende Mühle.
Rund um Schömberg gab es vom 7. Jh. an mehrere solcher Heimorte die abgegangen bzw. in anderen Orten aufgegangen sind. So wurde ausgangs des 14. Jh. die Stadtmarkung von Schömberg um fast die ganze Markung des Dorfes Holzheim vergrössert.
Die Siedlung lebt heute fort in der zu Schömberg gehörenden „Unteren Säge“ am Vorsee des Schlichemstausees. Ebenfalls erinnert der Wald „Holzinger Berg“, rechts des Vorsees Richtung Plettenberg, an das Dorf Holzheim.
Ortsnamen mit der Endung „Heim“ treten neben den „Ingen-Orten“ in Württemberg besonders häufig auf. Das Grundwort „Heim“ bedeutet ursprünglich etwa „bewohnte Stätte“. Die dazu gehörenden Bestimmungswörter sind mit Vorliebe Himmelsrichtungen wie West-Süd-(Sunt-), Ost-, oder Nordheim. Oft wird auch auf Gegebenheiten hingewiesen, z. B. Tal- Berg-, Tann- oder wie hier Holzheim (bewaldete Umgebung).
Kirchlich gehörte Holzheim zu Schömberg, darüber wird in einer mündlich überlieferten Anekdote berichtet: „In Schömberg habe man Sonn- und Feiertags vor Beginn der Frühmesse eine halbe Stunde lang geläutet, damit die Holzheimer den Weg zur Kirche gefunden haben.“ (Der arme Mesner, damals musste noch von Hand geläutet werden.)
Gab es einen Ort Stockheim? Urkunden darüber gibt es nicht. Der Volksmund berichtet:
Im Gewann Stöcken, Markung Schömberg, das wäre südwestlich der Schlichem, bevor diese in einem engen Bogen Richtung Dautmergen fließt, soll dieser Ort gewesen sein.
Es könnte sich auch nur um ein einzelnes Gehöft handeln. Solche gab es auch im Schlichemtal mehrere, die aber nicht als Siedlung oder gar als Dorf betrachtet werden können.
Spuren von einem weiteren Dorf, das abgegangen ist, finden wir auf Leidringer Gemarkung. Kleinenzimmern war der Name dieser Siedlung, die erstmals im Jahr 1094 in einer Schenkungsurkunde des Schwarzwaldklosters Klosters St. Georgen erwähnt wird.
Das Dorf war bereits um 1500 nicht mehr vorhanden.
Übriggeblieben sind die Gebäude zweier Mühlen, die Michelis- und Brestneckermühle nordöstlich der Schlichem, deren Gebäude vom Wanderweg aus am gegenüberliegenden Schlichemufer zu sehen sind. Dem Lauf der Schlichem folgend kommt zuerst die Micheles- und Richtung Rotenzimmern sehen wir die Brestneckermühle. Es handelte sich um Mahlmühlen die später ums Jahr 1714 durch eine Sägemühle erweitert wurden. Beide Mühlen sind nicht mehr in Betrieb. Zwischen ihnen waren wohl die Häuser von Kleinenzimmern der Schlichem entlang gestanden. Es ist oft der Fall, dass von abgegangenen Siedlungen, die am Wasser gebaut waren, nur die Mühlen übrig geblieben sind, da diese auf die Wasserkraft angewiesen waren.
Der Name Brestneckermühle macht wahrscheinlich, dass eine Burg Brestneck vorhanden war, denn Namen auf –eck sind für Burgen typisch. Um 1650 wird ein Burgstall erwähnt, das deutet ebenfalls auf eine abgegangene Burg hin. Bis zur Reformation etwa 1535 gehörte das Dorf bzw. die übriggebliebenen Mühlen zu Gößlingen. Dort wurde getauft und auch beerdigt. Danach war die reformierte Kirche in Leidrigen zuständig.
Die relativ große Gemarkung von Kleinenzimmern kam erst ums Jahr 1800 zu Leidringen. Diese reichte beinahe bis hinauf zur Ebene. Auch die doch weit entfernten Höfe Amselreute und der Kopfenhof gehörten zur Gemarkung Kleinenzimmern.
Was sind die Gründe für die Aufgabe der erwähnten Dörfer?
Bei Kernhausen ist wohl der Wegzug der Klosterfrauen nach Offenhausen der Grund. Der Klosterhof und alles was damit zusammenhing, Taglöhner usw. waren überflüssig.
Bei Holzheim war eher die neu gegründete Stadt Schömberg ein Grund für die Aufgabe. Die Stadt bot z. B. Sicherheit innerhalb der Stadtmauer, mehr Freiheit und gewerbliche Möglichkeiten.
Bei Kleinenzimmern könnten die Bodenverhältnisse eine Rolle gespielt haben, denn unten an der Schlichem war wenig fruchtbarer Ackerboden. Hier ist Keupergebiet u. a. mit Knollenmergel, der zu Rutschungen neigt. Die Bodenverhältnisse oben in Leidringen waren um ein vielfaches besser.
Literatur
- Der Landkreis Balingen. Amtliche Kreisbeschreibung. Hrsg. vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Balingen. 2 Bände. 1960/61.
- Schwäbischer Albverein (1951): Orts- und Flurnamen in Baden-Württemberg, bearbeitet von Walter Keinath.
- Bumiller, C. (2005): Geschichte der Stadt Schömberg. Schömberg.
- Riede, G. (1999): Heimatbuch Ratshausen.
- Walter, H. E. (1975): Heimatbuch Leidringen.
Textbeitrag von Berthold Schuß, Schömberg
Bild: Berthold Schuß